Ein sportlicher Klassenunterschied wie aus dem Lehrbuch: Rhein Fire deklassierte am Sonntag Berlin Thunder mit 69:7 (19:0/33:0/3:0/14:7) und schickte das krisengeschüttelte Hauptstadt-Team mit einer sportlichen Ohrfeige zurück in die Metropole. Vor 8.246 Fans in der Schauinsland-Reisen-Arena geriet das Duell der European League of Football (ELF) zu einem Schaulaufen der Rheinländer – mit Rekorden, Showeinlagen und einer Berliner Mannschaft, die wirkte, als wäre sie versehentlich auf dem Feld gelandet.
Harlan Kwofie erzielte alle seine Touchdowns in der ersten Hälfte - Foto: Oliver Jungnitsch
Wie "einem Kind den Lolli klauen"
Berlin präsentierte sich über weite Strecken wie ein Team ohne Gegenwehr. Bereits im vierten Spielzug erzwang Destiny Idiahi einen Fumble gegen Thunder-Quarterback Sullivan, den Justus Sleiman tief in der gegnerischen Hälfte sichern konnte. Es dauerte nur 57 Sekunden, bis Harlan Kwofie den Ball in die Endzone trug – der Auftakt einer unfassbaren ersten Halbzeit, die mit 52:0 endete.
Kwofie & Jeffries schreiben ELF-Geschichte
Wide Receiver Harlan Kwofie stellte mit sechs Touchdowns in nur zwei Vierteln einen neuen ELF-Rekord auf. Quarterback Chad Jeffries egalisierte mit acht Touchdownpässen den ELF-Bestwert von Jadrian Clark (2023) – und das bereits zur Pause. Gemeinsam zerlegten sie eine Berliner Defense, die wirkte, als habe sie sich auf eine lockere Trainingseinheit eingestellt. Kwofie punktete aus 11, 5, 15, 33, 16 und 34 Yards, Jeffries verteilte die Bälle nach Belieben, das Laufspiel über Jonathan Scott funktionierte reibungslos – ein Nachmittag zum Zungeschnalzen für die Offense von Head Coach Richard Kent.
Berlin Thunder: sportlich, strukturell, existenziell in der Krise
Bei Berlin Thunder herrscht Ausnahmezustand. Im Umbruch, sportlich wie strukturell angeschlagen, steckt das Team mitten in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Drei Leistungsträger und Head Coach Jag Ball haben den Verein in den vergangenen Wochen verlassen – mit drastischen Auswirkungen auf dem Feld. Die Gäste kamen im ersten Viertel nur auf vier Yards Raumgewinn, das Spiel war da längst entschieden.
Zweite Halbzeit zum Durchatmen – mit Wermutstropfen
In der zweiten Hälfte bekam der breite Kader von Rhein Fire Einsatzzeit. Ersatz-Quarterback Rohat Dagdelen führte das Team sicher über das Feld, Clemens Schuldt fing seinen zweiten Touchdown, Eritros Haggi traf aus 41 Yards per Field Goal. Den Schlusspunkt setzte Chauncey Moore mit einem spektakulären 85-Yard-Punt-Return-Touchdown. Einziger Lichtblick für Berlin: Tyler Fosters sehenswerter 88-Yard-Punt-Return-TD, der Szenenapplaus von den Heimfans erhielt. Kurz vor Schluss dann die Schrecksekunde für Fire: Dagdelen musste verletzt vom Feld. Emotionaler Höhepunkt des Spiels war Harlan Kwofies Geste, als er seine "Spieler des Tages"-Auszeichnung in der ProSieben Maxx-Übertragung seinem Teamkollegen widmete. „Das war für meinen Bruder Rohat“, sagte Kwofie gerührt.
Rhein Fire auf Playoff-Kurs – Berlin kämpft ums Überleben
Mit nun sechs Siegen bei vier Niederlagen bleibt Rhein Fire auf Kurs Richtung Wild Card Playoffs. Stand heute würde ein Auswärtsspiel in Kopenhagen bei den Nordic Storm warten. Das nächste Heimspiel folgt am 10. August gegen die Tirol Raiders – erneut um 16:25 Uhr in Duisburg. Während Rhein Fire also von einem Highlight ins nächste rauscht, bleibt Berlin Thunder nur die Hoffnung, dass auf Regen irgendwann auch sportlicher Sonnenschein folgt. Aktuell aber ist der Klub mit Problemen konfrontiert, die weit über das Spielfeld hinausgehen.
Bildergalerie zum Spiel:
Oliver Jungnitsch für NRW Football